In
manch einem Misburger wird der Anblick des alten Forsthauses
nostalgische Gefühle wecken. Bis zum Jahre 1964 stand es dort,
wo sich jetzt das inzwischen renovierungs-bedürftige Rathaus
befindet. Heute gibt zumindest das von Ulrike Enders
künstlerische gestaltete Relief am Eingang zur Bibliothek einen
Hinweis auf seine illustren Bewohner, die jetzt zu neuem Leben
erwacht sind. Im Nachlass der Mutter der Familie, Henriette von
Beaulieu-Marconnay, befinden sich zehn Hefte mit ihrer eigenen
Lebensbeschreibung, die jetzt im Goethe-Schiller-Archiv in
Weimar aufbewahrt werden. Diese wurden zur Grundlage für fiktive
Gespräche, welche die Autorin Heide Schulz mit deren Verfasserin
führt. Leserinnen und Leser begleiten „Jette“,
wie
sie von vertrauten Freunden genannt wird, von den
unterschiedlichen Stationen ihres Lebens – Franken, Weimar,
Misburg – bis zum Kloster Marienrode in Hildesheim. Sie werden
ebenso wie ihre abenteuerlichen Reisen durch das napoleonisch
besetzte Europa unterhaltsam und meist mit einer Prise Humor
dargestellt. Den Höhepunkt bilden Jettes menschliche
Begegnungen im klassischen Weimar. Dort wird sie zu einer
glühenden Verehrerin von Goethes literarischem Werk und
gleichzeitig zu einer satirischen Kritikerin des von ihm
ausgeübten Kulturmonopols. Als Zeitzeugin fühlt sie sich der
Wahrheit verpflichtet.
Mit ihren Erinnerungen vermag
Jette einer allzu naiven Glorifizierung des großen Dichters
entgegenzuwirken, was einer Beschäftigung mit seinem Werk und
seiner Person nur förderlich sein kann.
Jette/ Auf eine Tasse Tee mit
Goethes Freundin Henriette von Egloffstein,
Isensee-Verlag,
Oldenburg 2024
ISBN -978-3-7308-2120-6
01.09.2024
Bericht:
Astrid Schulz-Ammadi
Stadtbibliothek Hannover |