Anderten 1890

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Anderter Verkehrswege
- Straßen und Ortsbezeichnungen -
Entstehung und Namensgebung

zusammengetragen von Lorenz Kurz

Am Wöhren

Die Straße "Am Wöhren" in Anderten
Über Jahrhunderte bis um 1855 war dies ein unbefestigter Weg der zu dem im Gemeindeeigentum befindlichen Flurstück "Die Wöhren" führte.
Hier befanden sich Lehmvorkommen, ein begehrtes Baumaterial für Fachwerkhäuser und Scheunen für die Anderter Reihestellenbesitzer.
1849 wurde im Gemeindeprotokollbuch erwähnt, dass dieses Areal nun "Die alten Lehmkuhlen" genannt wurden.

Im Protokollbuch der Gemeinde Anderten ist unter dem Datum vom 20sten April 1854 unter Punkt 4 folgendes nachzulesen:
"Der Weg auf die Wöhren soll von der Gemeinde verfertigt werden, es müssen aber Arbeitsfähige Leute und keine Kinder geschickt werden".
Im „Protocoll Buch für die Gemeinde Anderten“ ist in einem Eintragung der 17ten Versammlung unter Punkt 4 vermerkt:
“Daß Lehm graben ist allen denjenigen verboten welche keine Interessenten sind.

Anderten d. 22ten July 1855“.

(Interessenten waren die Reihestellenbesitzer).

Im Laufe der Zeit entstanden auf dem Wöhren etliche Lehmkuhlen, in denen sich mit der Zeit Regen- und Grundwasser sammelte, ein idealer Lebensraum für Frösche. An schönen Sommerabenden erklang aus den Teichen dann ein weithin hörbares und vielstimmiges Konzert vieler quakender Frösche. Deshalb gab es zu der Zeit in Anderten auch noch mehrere Storchen-Brutpaare, die am Wöhren und in der Breiten Wiese genügend Nahrung fanden. Später wurden diese Lehmkuhlen mit Schutt und Erdreich wieder verfüllt.

Ab 1856 wurde der damalige Weg mit Sand, Kies und Steinen verfestigt, der in späteren Jahren zur Straße ausgebaut wurde und sich heute "Am Wöhren" nennt (s. Abb. Lageplan).

1850 wurde auf der Gemeindeversammlung vereinbart, ein Armenhaus zu bauen. Errichtet werden sollte es am Wegesrand auf dem Wöhren. Aber erst 1868 wurde dieses Vorhaben verwirklicht, Anderten 149 war die Adresse dieses Hauses.

Das Armenhaus ist auf einer 1905 gelaufenen Postkarten abgebildet und vornehm mit "Maison du Pauvre" bezeichnet
(s. Abb.).

Wöhren, Wöhr, Worth, Wort war früher die Bezeichnung für ein erhöhtes Gelände.
Deshalb befand sich hier auf dem 70 Meter hohen Gelände der Radrennbahn an der Mühlenschänke bis zum Jahr 1927 die Kirchröder Windmühle.

Anfertigung von Lehmsteinen auf dem Wöhren
Bis um das Jahr 1920, wenn in Anderten ein Haus gebaut werden sollte, sammelten die Bauwilligen große Mengen von Schewe. Schewe ist der Abfall, der bei der Flachsbereitung anfällt. Es wurde als Bindemittel für Lehmsteine genutzt und war von entscheidender Bedeutung für die Haltbarkeit von Lehmsteinen.

Aus den Lehmkuhlen am Wöhren, die sich im Gemeindeeigentum befanden, wurde der Lehm für den Haus- und Scheunenbau gegraben.
Das Herstellungsverfahren der Lehmsteine:
Man vermischte ihn mit Wasser und trat ihn mit nackten Füßen gründlich durch, bis sich keine Klumpen mehr in der breiigen Masse befanden. Die Schewe wurde dann mit dem Lehmbrei vermischt.
Nun konnte das Formen der Lehmsteine in Angriff genommen werden. Dazu wurden zweiteilige hölzerne Lehmsteinformen benutzt.

Die frisch geformten Lehmsteine wurden mit Zwischenräumen aufgeschichtet, damit ein ständiger Luftdurchzug gewährleistet war, so wie es noch heute zum Trocknen von gestochenem Torf üblich ist. Als Regenschutz wurden die Stapel mit Stroh abgedeckt. Waren die Lehmsteine durch Luft und Sonne getrocknet, konnte man sie beim Hausbau einsetzen. Sie wurden ausschließlich zur Herstellung der Innenwände (Schierwände) verbaut, die Außenwände wurden dagegen von gebrannten Steinen aus einer Ziegelei gemauert.
Zur Herstellung des Lehmbelags ihrer Dielen holten die Anderter das Material aus dem Hägen, weil es weniger tonhaltig war und mehr Sand enthielt. Dies hatte den Vorteil, dass der großflächige Belag im Dielenbereich im trockenen Zustand nicht rissig wurde.

Dieses Bild zeigt unten in Bildmitte die Straße “Am Wöhren”. Das mit “A”  benannte Haus ist das Anderter Armenhaus. Links darüber ist noch das Oval der Anderter Radrennbahn zu erkennen. Die westliche lange Seite des Ovals ist heute der Straßenverlauf des Bonatzweges. Das “M” auf rosa Grund ist das Fundament der 1927 abgerissenen Kirchröder Windmühle. Neben dem Mühlenfundament ist das Gebäude der Mühlenschänke zu erkenn.

15.02.2022
Lorenz Kurz
Petersilienstraße 6, 30559 Hannover
Lorenz.Kurz@gmx.de
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