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Geschichten erzählen - Erinnerungen wecken

Vom Heute auf das Gestern zurückblicken

Gisbert Selke mit heimatkundlichen und aktuellen Themenschwerpunkten

Ich heiße Gisbert Selke, bin 1941 in Hannover geboren und habe nahezu mein gesamtes Leben im Stadtbezirk Misburg-Anderten verbracht. Nach Mittlerer Reife, Meisterlehre im Tischlerhandwerk, Immaturenprüfung und Studium an der PH Hannover war ich zunächst seit 1967 Lehrer an der Kardinal-Galen-Schule. 1975 wechselte ich an die Pestalozzischule II und übernahm dort 1979 die Schulleitung. 2006 wurde ich in den Ruhestand versetzt. Seitdem habe ich im Stadtbezirk unterschiedliche ehrenamtliche Aufgaben übernommen, bin an der Gestaltung des Internetportals „NANAnet Misburg-Anderten“ beteiligt und Sprecher des Redaktionsteams, spiele Orgel, leite den Kirchenchor der Herz-Jesu-Kirche, sammle historische Quellen, insbesondere Bilder und Dokumente und speichere diese elektronisch, um sie für die Nachwelt zu erhalten.

Mit meinen Vorträgen und Videos möchte ich bei den Besuchern Bilder der Erinnerung wachrufen und sie in die Geschichte des Stadtbezirks, in ihre Kindheit, ihre ehemalige Berufs- und Arbeitswelt, ihre Vereinswelt und Ihre persönlichen Beziehungsnetzwerke zurückblicken lassen.

Besonders die älteren Menschen unter uns haben im Laufe ihres Lebens fundamentale Brüche erlebt. Sie wurden meist zwischen den beiden Weltkriegen geboren.

Ihre Lebensdaten rücken die gesamte Bandbreite einer Epoche ins Blickfeld, die anfangs durch Nationalismus, Rassismus, Krieg und Völkermord geprägt war, die sich in unermesslichem Leid von Obdachlosigkeit, Vertreibung und Hunger fortsetzte, Neubeginn verlangte und Trauer nicht zuließ und sich erst viel später zu dem entwickelte, was uns heute als sozial-kulturelle Gemeinschaft heilig ist: ein Leben in Freiheit, Würde und Wohlfahrt.

Viele der alten Menschen haben diese Zwiespältigkeit seit Ihrer Kindheit in ihrer ganzen Tragweite direkt und hautnah erfahren: Mangeljahre nach den Ersten Weltkrieg, Naziherrschaft, Zweiter Weltkrieg, wieder Hunger, Flucht, Obdachlosigkeit und schließlich der mühsame Aufstieg aus der Asche des Tausendjährigen Reiches. Diese Generation erlebte das keineswegs Bahn brechende 20. Jahrhundert, historisch gesehen, von tief unten. Jahrzehntelang wurde ihr Leben vom Mangel überschattet und nicht vom Überfluss erhellt. Ihr wurde eine enorme Anstrengungsbereitschaft abverlangt.

Besonders bei meiner Zuhörerschaft in den Seniorenheimen bemerke ich, dass die müde gewordenen Augen beim Anblick der historischen Bilder zu leuchten beginnen und alte, fast verschüttete Erinnerungen geweckt werden. Auf diese Weise setzen sich Gedanken und Erlebnisse wie ein Puzzle wieder zu spannenden Geschichten zusammen, die den langen und beschwerlich gewordenen Lebensweg wie warme Sonnenstrahlen beleuchten und ihn so von den Mühen des Alters und mancherlei Betrübnis wieder ins Licht rücken.

Mit meinen Vorträgen verfolge ich ein zweites Ziel. Viele meiner Zuhörer können nicht mehr aus eigener Kraft längere Wegstrecken zurücklegen. Um ihnen die sich verändernde Umwelt visuell zu eröffnen, zeige ich auch aktuelle Bilder und spreche über Veränderungen im Stadtbezirk. Nicht nur städtebauliche Veränderungen sollen dabei im Vordergrund stehen, sondern auch landschaftliche. Misburg-Anderten, der „Stadtbezirk zwischen Mergel und Moor“, kann unterschiedlicher nicht sein. Ihn z.B. im Wandel der Jahreszeiten zu zeigen weckt viele Erinnerungen: das Draußen-Spielen damals, der Weg zur Schule, die Orte der ersten Liebe, Touren mit den Kindern und Enkeln oder auch der Friedhof mit dem Grab der verstorbenen Angehörigen. Beim Anblick der Bilder verblassen gerade die Gedanken an dunkle Lebensabschnitte und das ist auch so gewollt. Vielleicht gelingt es mir ja mit der Zeit, den Stadtbezirk unter verschiedenen Themenschwerpunkten und aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu präsentieren. Die treue Zuhörerschaft macht mir dazu Mut.

22. Juni 2019
Gisbert Selke
Sprecher des Redaktionsteams
NANAnet Misburg-Anderten
Gestaltung & Layout: KNL 13.11.2022